"Religion in Europe": Worum geht's beim neuen Masterstudium in Wien?
Foto: Folder Masterstudium "Religion in Europe"
Podcast vom 19. Februar 2025 | Gestaltung: Henning Klingen*
Vor rund zweieinhalb Jahren, im Herbst 2022, haben wir hier bei Diesseits von Eden zuletzt über die Situation an den Theologischen Fakultäten in Österreich gesprochen. Damals blickten meine Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner der Fakultäten etwas angespannt auf die Entwicklung der Studierendenzahlen. Da war sogar von einem "dramatischen Rückgang" bei den Neuanmeldungen die Rede. Und davon, diesem unter anderem mit neuen Kooperationen und frischen Studienangeboten zu begegnen.
Frische Studienangebote: Das ist das Stichwort, das uns heute hier an der Uni Wien zusammenführt. Denn dort startet in diesem Wintersemester ein neuer theologischer Studiengang. Genauer gesagt ein Master "Religion in Europe". Auf Englisch und konfessionsübergreifend konzipiert. Also von katholischer und evangelischer Fakultät gemeinsam.
Und so sitze ich heute hier mit den beiden Dekaninnen eben dieser Fakultäten: Frau Professor Andrea Lehner-Hartmann, katholische Fakultät und Frau Professor Ute Heil, evangelische Fakultät. Willkommen - wieder mal muss man sagen - bei "Diesseits von Eden"; schließlich waren Sie beide ja schon häufiger in unserem Podcast zu Gast. Vielleicht gleich zu Beginn: Warum eigentlich ein neuer Master? Warum dieses Zusatzangebot? Was kann der, was andere Studienangebote im Masterbereich nicht können?
Heil: "Also das Stichwort sinkende Studierendenzahlen ist tatsächlich zutreffend, weil das mit ein Anlass war über einen neuen Studiengang nachzudenken. Und auch wenn das von vornherein nicht so geplant war in Englisch und was da jetzt bei rausgekommen ist, das ist natürlich ein längerer Prozess gewesen. Und etwas Neues zu versuchen war auch eine Idee, dass wir beiden theologischen Fakultäten, die wir auf anderen Feldern eh auch kooperieren, auch nochmal stärker in der Lehre kooperieren möchten. Und dieser neue Studiengang soll eben neue Studierende gewinnen, die sich für Religionsfragen interessieren. Wir wollen aber eben nicht primär das Ziel haben, ins Fachamt oder als Religionslehrer in dem Beruf zu stehen. Und insofern haben wir überlegt, was kann man wie konzipieren als ein Studiengang, um für ein anderes Publikum unser Lehrangebot, aber auch noch mit anderen Lehrveranstaltungen hier attraktiv anzubieten."
Lehner-Hartmann: "'Religion in Europe' würde ich sehen als ein innovatives Angebot für Leute, die sich mit Religionsfragen auseinandersetzen wollen und nicht ein enges Theologiestudium studieren wollen, weil auch gesellschaftliche Entwicklungen in diese Richtung zeigen, dass Religionsfragen auch immer wichtiger werden, bedacht zu sein. Und von daher soll hier auch eine Kompetenz vermittelt werden, wo Menschen, die aus anderen Berufen kommen als aus kirchlichen Hintergründen und hier auch die Möglichkeit erhalten, sich mit Religionsfragen auseinanderzusetzen und ihre professionelle Kompetenz in ihren jeweiligen Berufen dann auch zu verbessern. Also Journalistinnen, Leute, die in NGOs angestellt sind und dergleichen, weil Religionsfragen auch immer wieder wichtiger werden."
Prof. Uta Heil
Qualifizierungsangebot für fortgeschrittene Studierende & Menschen im Berufsleben
Bevor wir auf die Inhalte gucken - was ist denn die Zielgruppe? Wer soll sich davon angesprochen fühlen?
Heil: "Also Zielgruppe sind Studierende, die einen Bachelor schon absolviert haben. Aber das muss kein Bachelor bisher sein, der einen Religionsbezug hat oder Theologie sein muss, sondern das kann irgendein Bachelor sein. Und insofern können hier Studierende sich für diesen Master interessieren, die entweder, weil sie in beruflichen Zusammenhängen stecken, mit Religionsfragen konfrontiert sind, sei es, dass sie in der Caritas, in der Diakonie arbeiten oder in Unternehmen tätig sind oder internationalen Organisationen wie die United Nations oder auch in kulturellen Einrichtungen, in Museen arbeiten und dort merken, Religion ist und bleibt ein Thema. Und ich brauche mehr Kompetenzen, um damit umzugehen und religionsbezogene Fragestellungen besser beantworten zu können. Deswegen haben wir diesen Master insofern konzipiert, dass er sehr offen und auf Englisch ist. Es spricht also nicht nur ein Publikum an, das in Wien oder Umgebung oder in Österreich sowieso schon wohnt, sondern das ist deswegen auch in englischer Sprache und soll eigentlich international ein Publikum anziehen."
Lehner-Hartmann: "Ja, ich würde das auch so bestärken. Es geht nicht darum, das innerhalb der österreichischen Grenzen zu belassen, sondern über die Grenzen hinauszuschauen. Deswegen auch 'Religion in Europe'. Hier schon auch eine gewisse Grenze einzuziehen, weil Religionsphänomene im europäischen Kontext noch einmal auch anders zu betrachten sind als beispielsweise im globalen Kontext. Und von daher soll es auch darum gehen oder dazu dienen, sich auch auf europäischer Ebene besser auch verstehen zu lernen und das eben auch über den Faktor Religion hinweg, weil der ja nicht nur auf österreichischer Ebene, wie die Debatten in der letzten Zeit zeigen, ein wichtiger Faktor ist, wo es auch um Konflikte und dergleichen geht, sondern auf europäischer Ebene. Und hier auch Leute attraktivieren soll, die sich damit gerne auch auseinandersetzen."
Aber es ist ein Präsenzstudium, d.h. es ist nicht so, dass es einen virtuellen Andockpunkt gibt, dass man es als Fernstudium betreiben kann, oder?
Heil: "Das Studium ist schon so geplant, dass es in Bezug auf die Vorlesungen, die sowieso gestreamt werden, das heißt hybrid stattfinden und übertragen werden, deswegen eine Absolvierung auch ermöglicht, wenn man nicht hier in Wien vor Ort ist. Etwas anders ist das natürlich gestaltet, wenn es sich um die Lehrveranstaltungen in Form einer Übung oder eines Seminars handelt. Und da ist natürlich eine höhere Präsenz schon gegeben. Aber es gibt die Möglichkeit, auch in Bezug auf Blogveranstaltungen hier gezielte Präsenzzeiten zu vereinbaren und das zu koordinieren. Wir müssen einfach mal sehen, wie der Studiengang ankommt und würden das auch eventuell zu einem späteren Zeitpunkt noch adaptieren. Aber momentan ist das so ein gemischtes Angebot mit Vorlesungen, die online absolviert werden können und andere Lehrveranstaltungstypen, die mit Präsenz -Einheiten verbunden sind."
Große Freiheit in der Schwerpunktsetzung
Nun hat ja jeder Ihrer eigenen Fachstudiengänge auch einen Master, der auch schon mit gewissen ECTS -Punkten dotiert ist. Wie gelingt es denn jetzt, das zusammenzuführen zu einem gemeinsamen Angebot, was nicht einfach eine Verdoppelung ihrer Master -Angebote ist, sondern was ganz Neues? Also was mussten Sie weglassen in der Konzeption und was ist neu hinzugekommen?
Lehner-Hartmann: "Ich denke, das Neue ist sicher die adressierte Zielgruppe, während unsere bisherigen Master -Studien ja darauf zielen, Leute auszubilden, sei es fürs Priesteramt oder sei es für die Schule oder sei es eben für den Pfarrbereich. Und das adressiert jetzt noch einmal eine ganz andere Zielgruppe. Wir setzen ja auch nicht voraus, dass die einen Bachelor in Theologie mitbringen. Ich denke auch, es ist wichtig zu betonen, dass es eben kein enges theologisches Studium ist, sondern es geht um die Fragen von Religion. Und das mit Leuten, die aus unterschiedlichen Disziplinen herkommen, zu beleuchten, das finde ich das Spannende an dem neuen Master. Und das unterscheidet sich sicherlich auch von den anderen. Das heißt, es muss auch anders konzipiert werden. Wir dürfen dazu ja auch neue Lehrveranstaltungen entwickeln. Und ich denke, dass sogar dieser Master möglicherweise eine gute Rückwirkung hat auf unsere bisherigen Studien, weil die dann vielleicht auch für die, die Lehramt studieren, auch kompatibler sind als vielleicht die jetzigen Studien. Und wir sind ja auch dabei, die Studien für das Lehramt neu zu konzipieren. Das kann sich ja befruchten."
Heil: "Ja, wir haben für die Entwicklung dieses Masters uns auch gut überlegen müssen, wie strukturieren wir das überhaupt und wie bauen wir das auf. Weil da natürlich nicht die jeweilige Fächerlogik eines Faches oder einer bisherigen Studienrichtung zugrunde gelegt werden kann. Also es kann weder eine leichte Adaption, wie es jetzt Religionswissenschaft wäre, hier vorgenommen werden oder jetzt von einem Theologiestudium aus gedacht entworfen werden. Und so haben wir dann auch versucht, uns in die große Freiheit zu bewahren und ganz neue Container sozusagen zu entwerfen. Also wir haben natürlich, weil die Studierenden von ganz unterschiedlichen Bachelor-Studiengängen kommen können, eine Art Eingangskurssystem uns überlegt, um so eine Basis für alle gemeinsam überhaupt zu entwickeln. Aber dann haben wir vier große Container, die anders strukturiert sind und eher inhaltlich bezogen sind. Das eine ist Religion und Text, das andere Religion, Ethik und Politik, dann eins Religion und Gesellschaft und ein viertes Religion und Kultur. Das kann natürlich auch sehr breit befasst werden. Und das Besondere ist eben auch, und da hoffe ich mir auch, dann für spätere Curricula in der Fachtheologie auch Impulse. Eine Besonderheit ist, dass wir hier einen relativ hohen Freiraum uns belassen haben, um entgegen der Tendenz in den BA- und MA-Studiengänge das so klein verschult modularisiert durchzuziehen, hier mehr Wahlmöglichkeiten zu lassen. Deswegen: von den genannten Wahlmodulen müssen drei absolviert werden und die haben 12 ECTS -Punkte als Umfang. Aber es gibt dann ein sehr großes im Vergleich zu sonstigen Studiengängen hier Wahlmodul, was frei füllbar ist, mit 22 ECTS -Punkten. Und so können halt die Studierenden auch von den Fragestellungen und Perspektiven, wo sie herkommen, ihre eigenen Schwerpunkte setzen und sich dann auch ein bisschen aus dem Lehrveranstaltungsangebot das auswählen, was sie interessiert und wo sie dann wirklich sich drauf spezialisieren wollen. Und das wird dann auch die Basis sein für den Master, in der Masterarbeit, wo man dann seinen Schwerpunkt dann vertiefen kann."
Prof. Andrea Lehner-Hartmann
Positive Rückwirkung auf Lehrangebot insgesamt
Wer sind denn die Lehrenden bei diesem Master? Kommen die allein aus Ihren beiden Fakultäten oder auch an anderen Bereichen wie etwa der Religionswissenschaft, Judaistik oder aus den Islamischen Studien?
Lehner-Hartmann: "Ja, es sind mehrere Fakultäten hier beteiligt. Wir haben im Vorfeld auch gefragt, wo Lehrveranstaltungen angeboten werden können. Das kann auch von der Philologisch -Kulturwissenschaftlichen Fakultät sein, beispielsweise auch aus dem Bereich Musikwissenschaft. Wenn es da etwas gibt aus der Judaistik, aus der islamischen Theologie, aus der Islamwissenschaft und wer auch sonst religionsbezogene Themen anbietet, kann hier in diesem Master seine Lehrveranstaltungen anbieten, vor allem auch im Wahlbereich. Und ich denke, genau diese interdisziplinäre Ausgestaltung ist auch noch einmal das Spannende, auch auf die Fragestellungen hin, die die Studierenden in diesem Master bearbeiten wollen. Dadurch, dass sie mit einem beruflichen Background herkommen, gehen wir davon aus, dass sie mit konkreten Fragestellungen auch herkommen und so auch gezielter das studieren können. Und der Rahmen, also der Begleitrahmen rundherum, das Begleitseminar, das sich durchzieht, dient auch der sozialen Kohäsion der Gruppe. Also ich denke, dass das vom Aufbau her gut studierbar ist und auch die Motivation nicht so schnell sinkt wie vielleicht bei anderen Studien."
Heil: Und ich kann mir vorstellen, dass sich dieser Master dann auch gut entwickeln wird, auch in Bezug auf Lehrangebot von der Uni Wien aus, weil es bietet sich hier eine Möglichkeit, religionsbezogene Lehrveranstaltungen hier mal zu bündeln und in diesem Master sichtbar zu machen, was sonst in vielen einzelnen Curricula - und Lehrveranstaltungsangebot sehr mühsam ist, herauszufiltern. Und wenn jemand sich religionsbezogenen Fragestellungen interessiert, hat jemand hier in dem Master auch zu schauen, was gibt es eigentlich an der Uni Wien - von der Musikwissenschaft bis zur Philosophie. Wir haben Soziologie, religionsrechts-bezogene Fragestellungen, was auch in dem Master ja aufgegriffen wird, und alles dies in dem Master überhaupt mal sichtbar zu machen und für Studierenden als Angebot hier zur Verfügung zu stellen."
Dann habe ich in ein paar Jahren diesen Abschluss... - und was habe ich dann davon? Was eröffnen sich mir mit so einem Master für Arbeitsfelder?
Lehner-Hartmann: "Eigentlich geht es darum, die professionellen Kompetenzen zu schärfen. Also wir gehen eher davon aus, dass es Leute sind, die in bestimmten Berufsfeldern schon aktiv sind und sich hier noch einmal professionalisieren wollen, also nicht unbedingt einen neuen Beruf damit ergreifen wollen. Aber ich denke, die Kompetenzen, die man hier erwirbt, die qualifiziert einen für unterschiedlichste Felber, so wie das ja auch bei vielen Studien derzeit der Fall ist. Man studiert etwas und was beruflich danach geschieht, ist oft sehr vielfältig und nicht unbedingt von dem jeweiligen Studium abhängig."
Heil: "Das kann ich nur unterstützen, weil ich denke, dass trotz aller Säkularisierungstendenzen der Aspekt Religion aus der Gesellschaft in Europa in absehbarer Zeit doch nicht verschwinden wird und insofern sich immer wieder in verschiedensten Berufs - und Arbeitsfeldern von Politik, über Journalismus, über Museumsführungen, über die OSCE, andere kulturelle Einrichtungen, sich immer wieder die Frage stellt, wie geht man mit religionsbezogenen Themen um. Und deswegen soll der Master ja auch das Angebot insofern erweitern. Das bezieht sich ja nicht nur aufs Christentum, sondern auch Judentum, auch Islam und auch andere Religionen, Buddhismus, die hier mit einzubeziehen und zu berücksichtigen sind."
Neuer Master passt sich in Angebot ein
Auf der Website wird geworben, dass das ein einzigartiges Angebot ist. Nun ist ja der Druck, was zu tun, sich zu innovieren, auch bei anderen Fakultäten da. Und es gibt auch in anderen Fakultäten im Land solche Bewegungen, neue Studiengänge zu erdenken - etwa vor einigen Jahren der neue 4C-Studiengang in Salzburg etc. Wo würden Sie im Rahmen dieser Innovationsprozesse das neue Wiener Angebot sehen?
Lehner-Hartmann: "Also von unserer Perspektive aus ist das ein sehr innovatives Projekt aus unseren beiden Fakultäten heraus. Und ich denke, es hat sehr wohl auch mit der Entwicklung an der Uni Wien zu tun. Wir haben ja auch das Forschungszentrum 'Religion and Transformation in European Societies' (RaT). Und ich denke, das passt sich in das ganze Gefüge noch einmal ein. Insofern ist es nicht nur innovativ, sondern auch sehr standortbezogen. Noch dazu ist auch der Standort Wien ja einer, wo religiöse Pluralität aufeinander trifft. Und von daher eignet sich auch der Ort, so einen Masterlehrgang anzubieten. Ja, ich würde auch sagen, wir befinden uns aber gleichzeitig auch auf dem Weg mit anderen, die natürlich auch alles suchen müssen, wie sie denn noch attraktiver werden."
Also dann jetzt noch mal langsam und zum Mitschreiben. Der neue Master "Religion in Europe" startet im heurigen Wintersemester an der Uni Wien. Die Bewerbungsphase beginnt, Achtung, schon am 2. März und dauert bis 7. April, also nur gut einen Monat. Daher jetzt informieren und jetzt bewerben.
Vielen Dank fürs Zuhören, sagt Henning Klingen.