Vielfältig & praxisnah: Theologie studieren in Graz
Fotos: Henning Klingen
Podcast vom 9. November 2022 | Gestaltung: Henning Klingen*
Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Diesseits von Eden", dem Podcast der Theologischen Fakultäten in Österreich. Heute sind wir wieder mal außer Haus unterwegs. Endlich wieder draußen. Und zwar gehe ich gerade durch die Innenstadt von Graz. Auch dort gibt es eine Katholisch-Theologische Fakultät, und die möchte ich jetzt besuchen. Die Fakultät liegt nicht unmittelbar in der historischen Altstadt, sondern einmal quer durch die Altstadt hindurch. Man quert den Stadtpark und kommt dann zur Universität. Und dort ist auch die theologische Fakultät zu finden. Verabredet bin ich dort zunächst mit zwei Studierenden...
Grubinger: "Hallo, mein Name ist Katharina Grubinger. Ich studiere jetzt im neunten Semester katholische Theologie. Ich hab eigentlich recht spät erst die Entscheidung getroffen zu studieren und habe das bis jetzt nicht bereut. Es macht mir sehr viel Freude."
Grangl: "Ich bin die Elisabeth Grangl. Ich mache Lehramt katholische Religion mit Spezialisierung für die Primarstufe. Jetzt habe ich aber auch Fachtheologie offiziell inskribiert. Also das volle Paket. Ich bin eher zufällig auf Religion und Theologie gekommen. Eigentlich habe ich Mathematik und Religion studiert - und dann ist aber die Liebe für die Theologie geblieben und Mathematik ist dementsprechend langsam verschwunden. Ich bin auch in der Fakultätsvertretung tätig, um die Studierenden und ihre Stimme gut zu vertreten und auch mit dem Professor im Gespräch zu sein."
Das Theologiestudium als Türöffner beim Party-Gespräch
Ihr habt beide die Liebe zur Theologie betont. Nun hat die Kirche ja derzeit nicht das beste Image. Was gibt den Ausschlag zu sagen, ich liebe dieses Fach, wenn rundherum doch vieles im Argen liegt?
Grubinger: "Schwierige Frage. Ich würde sagen, dass man das bis zu einem gewissen Grad auch unterscheiden muss - also was Kirche ist und was Theologie. Natürlich greift vieles auch ineinander. Das Wichtigste: Die Theologie darf auch durchaus kirchenkritisch sein, das finde ich sehr wichtig. Und die Theologie ist ja doch eine Wissenschaft und es darf da auch durchaus kritisch zur Sache gehen."
Grangl: "Ich finde es wichtig, Theologie zu betreiben, auch als gläubige Christin, die in der Kirche aktiv ist. Einfach, um meinen persönlichen Glauben dementsprechend zu hinterfragen und auch neue Wege zu finden, zu argumentieren und auch mit anderen Menschen in Diskussionen und in Gespräche zu kommen. Einfach um zu schauen: wo steht eigentlich die Jetztzeit? Weil Theologie sich immer mit aktuellen Fragen beschäftigt - nur wird das leider nicht mehr von vielen Menschen erkannt. Im Studium bekomme ich aber ein Handwerkszeug, um das praktisch einzubringen und zu vertreten."
Stichwort Diskussion mit fremden Leuten: Wird man da nicht immer angeschaut wie ein Außerirdischer, wenn man sagt, man studiert Theologie?
Grangl: "Ja, wenn man fortgeht kommen oft die Fragen: Was, du studierst Theologie? Bist du denn auch gläubig? Betest du? Ich merke, Menschen nehmen das oft zum Anlass, mit mir über Gott und die Welt zu diskutieren und auch sehr private Fragen zu stellen. Teilweise liebe ich es, diese kritischen Fragen zu hören, weil man merkt einfach, dass es Fragen gibt, die auch für andere Menschen wichtig sind. Aber manchmal ist es dann doch schon sehr persönlich. Also da diese Balance zu finden, und auch immer für die Theologie oder auch für die Kirche ein Aushängeschild zu sein, sobald man Theologie studiert, ist manchmal schwierig und manchmal super spannend."
Katharina Grubinger, Elisabeth Grangl
Grubinger: "Bei mir ist es insofern anders, als ich ja schon etwas älter bin und da die Menschen generell, glaube ich, anders reagieren, wenn man dann studiert. Trotzdem kommt natürlich auch die Frage: Warum studierst du ausgerechnet Theologie? Was willst du damit machen? Viele Menschen haben überhaupt keine Vorstellung, was man damit anfangen kann. Und ich erkläre dann eigentlich immer, wie toll und breit gefächert dieses Studium ist, wie fundierte es ist und wie wertvoll es auch für die persönliche Entwicklung ist."
Überschaubar & familiär: Wo Graz Pluspunkte sammelt
Jetzt habt ihr euch beide bewusst für Graz entschieden. Was hat denn diese Entscheidung beflügelt? Warum Graz zum Studium der Theologie?
Grangl: "Bei mir ist es eher durch einen Zufall gekommen. Ich wollte eigentlich nach Wien gehen, aber meine beiden Geschwister haben schon in Graz studiert und meiner Mutter war es dann ein Anliegen, bei meinen Geschwistern zu sein. Dann habe ich mich halt auch näher mit der Theologischen Fakultät auseinandergesetzt und bin dann drauf gekommen, wie gut man Dinge in der Theologie kombinieren kann - also etwa mit Religionswissenschaft. Ich bin jedenfalls sehr, sehr froh, in Graz zu studieren und auch in der Fakultät tätig zu sein."
Grubinger: "Bei mir hat sich die Frage insofern nicht gestellt, als ich mit meiner Familie in Graz lebe und Kinder habe. Es wäre für mich nicht so einfach, woanders hinzugehen. Aber ich finde den Schwerpunkt in Graz einfach wahnsinnig spannend und auch wichtig, weil ich glaube, da gibt es einfach noch sehr viel zu tun."
Das eigentliche Argument, um eine Studienentscheidung zu treffen, ist im Idealfall das Fach und auch das Angebot - aber natürlich oft auch das Studentenleben rundherum. Was hatten Graz da zu bieten?
Grangl: "Wir haben sehr viel zu bieten! Aber ich möchte nochmal unterstreichen: Wir sind ja eine kleine Fakultät, nicht so überlaufen. Das heißt, man fühlt sich hier fast aufgehoben wie in einer großen Familie, wo man den anderen immer um Hilfe fragen kann. Dann gibt es Angebote des "Zentrums für Theologiestudierende" und natürlich die große Universität mit ihren vielen ergänzenden Angeboten. Überall gibt es Möglichkeiten, zusammenzukommen, miteinander zu reden, gemeinsam zu feiern..."
Grubinger: "Ich bin jetzt schon etwas aus dem Alter draußen, wo ich viel im Nachtleben unterwegs bin. Ich kann nur sagen: Graz ist eine sehr lebenswerte Stadt. Graz hat eine tolle Größe, es ist alles da und es ist trotzdem irgendwie überschaubar. Es ist auch sehr grün rundherum. Also das finde ich sehr vorteilhaft an Graz."
Das heißt, die Kleinheit ist eigentlich ein Vorteil...
Grangl: "Zu 100 Prozent, ja! Ich sage immer: In anderen Studiengängen bist du nur eine Nummer - während du bei uns in der Theologie immer im persönlichen Gespräch bist. Mit den Professoren, mit den Studierenden. Alle sind sehr, sehr hilfsbereit. Deswegen bin ich sehr dankbar für diese Kleinheit, weil das anders gar nicht möglich wäre mit dieser tollen Betreuung. Also das ist eigentlich ein besonderer Schatz unserer Fakultät."
Stellt sich abschließend die Frage: Was macht man mit Theologie beruflich...? Was wird man, wenn man Theologin wird...?
Grangl: "Also ich werde sicher eine Zeit lang in die Schule gehen. Ich würde auch gerne mit älteren Menschen arbeiten. Mich interessieren verschiedene Bereiche - letztlich wird es sich dann schon zeigen, wohin die Reise geht. Ich vertraue aber darauf, dass man in der Kirche eine gute Anstellung findet. Aber auch in anderen Bereichen wird man als Theologin geschätzt. Auch das habe ich schon erfahren dürfen."
Grubinger: "Also bei mir hat sich herauskristallisiert, dass ich eigentlich am liebsten im wissenschaftlichen Bereich bleiben würde. Das wäre mein Wunsch - dass ich weitermachen kann, wenn ich mit dem Diplomstudium fertig bin."
Nah dran an den brennenden Fragen der Gegenwart
Nach diesem ersten Gespräch mit den Studierenden bin ich nun im Innenhof der Fakultät verabredet mit Vizedekan Professor Peter Ebenbauer. Vielleicht als erste Frage an Sie: Was ist denn das Alleinstellungsmerkmal der Grazer Theologischen Fakultät? Was ist das Besondere daran?
Ebenbauer: "Ich denke, die theologische Fakultät in Graz zeichnet besonders aus, dass wir über den theologischen Kernbereich hinaus ein relativ breites Angebot an Studienmöglichkeiten haben, auch an Forschungsmöglichkeiten, die zum Beispiel in dem Bereich der Ethik ganz stark hineingehen, aber auch in den Bereich der Religionswissenschaft und der kulturellen Auseinandersetzung in der Gegenwartskultur, mit Fragen von Religion, mit Fragen von Theologie und mit Fragen, wie sich die Gesellschaft insgesamt entwickelt. Diese kulturellen Fragen, die spiegeln sich bei uns zum Beispiel dadurch, dass wir Kunstprojekte haben oder dass wir starke Kooperationen mit künstlerischen Einrichtungen haben, dass wir auch uns schon lange und immer noch beschäftigen mit dem Verhältnis von Medien, Film und Theologie und Religion. Das ist immer noch sehr stark da. Und dass wir vor allem im ethischen Bereich sowohl mit unserer theologischen, aber auch mit unserer philosophischen Kompetenz in Richtung angewandte Ethik, Medizinethik, Wirtschaftsethik, Ethik und Bildung, Ethik und Digitalisierung sehr intensiv arbeiten. Und da gibt es auch ein Masterstudium Angewandte Ethik, das wir von unserer Fakultät aus sehr stark betreiben, obwohl es über Fakultäten organisiert ist oder auch das Lehramtsstudium Ethik. Und ich denke, das bringt auch unser theologisches Fragen und Forschen wirklich in einen Bezug zur Gegenwart. Und deshalb sehe ich das Alleinstellungsmerkmal oder das Spezifikum der Grazer Theologischen Fakultät in dieser Bemühung, wirklich an Gegenwartsfragen dran zu sein und das nicht nur traditionell-theologisch aufzuarbeiten, sondern mit den ganz aktuellen Fragen, die uns beschäftigen."
Prof. Peter Ebenbauer
Sie sind ja ein, wenn man auf Ihre Biografie schaut, eine Art Urgestein der Fakultät, haben hier auch schon selber studiert. Sie haben jetzt gerade die Antwort auf die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal aus Perspektive des Lehrenden gegeben - aber wie würden Sie aus Sicht des Studierenden antworten? Was macht es denn besonders reizvoll, in Graz zu studieren? Warum haben Sie selber hier studiert?
Ebenbauer: "Also man kann sich wirklich in Graz verlieben - als Student oder als Studentin -, weil es überschaubar ist und gleichzeitig doch die Größe hat, wo man sehr, sehr viel kulturell, gesellig und auch gesellschaftlich-politisch sieht und machen kann. Graz ist außerdem eine sehr grüne Stadt. Und was die Fakultät betrifft: Wir haben ein sehr schönes Fakultätsgebäude, in dem wir alle uns mit ganz kurzen Wegen miteinander verständigen können. Die Betreuungssituation ist sehr persönlich; man wird sich nicht verlieren in der Anonymität einer großen Masse. Und dass wir, denke ich, vom Lehrpersonal her sehr, sehr interessiert sind an den Studierenden, sie kennenzulernen und dass wir die Persönlichkeiten einfach auch sehr schätzen, die zu uns kommen."
Wozu braucht es eigentlich - diese Frage legt sich gewissermaßen nahe angesichts verschiedener Meldungen über den Rückgang an Studierendenzahlen - noch Theologinnen und Theologen?
Ebenbauer: "Ich finde, Theologinnen und Theologen sind auf mehreren Ebenen unerlässlich: zunächst einmal auf der Ebene der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Denn ohne Theologinnen und Theologen verlieren Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre intellektuelle Fähigkeit, ihre akademische Fähigkeit, vielleicht auch einen Teil ihrer Rationalität. Und das ist sehr gefährlich, wenn Kirchen und Religionen zu stark ins Irrationale gleiten. Also gut ausgebildete Theologinnen und Theologen sind unbedingt notwendig für eine gute Zukunft von Kirchen und Religionsgemeinschaften. Sie sind aber auch wichtig im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext, weil das Theologiestudium und die theologische Forschung etwas bewahrt und sicherstellt und in die Diskussion einbringt, was in unserer gesellschaftlichen, kulturellen Tradition vielleicht schon verschüttet ist, aber trotzdem unterschwellig oft weiterwirkt. Und diese Aspekte bewusst zu machen und einzubringen, ist etwas ganz Bedeutendes. Wir brauchen z.B. so etwas wie eine Ethik mit theologischem Hintergrund. Ich sage jetzt nicht mit konfessionellen Hintergrund, sondern mit einem breiteren theologischen Hintergrund. Wir brauchen außerdem einen Kulturdiskurs, in dem Religion oder Theologie nicht völlig ausgeschlossen ist, weil auch in säkularen kulturellen Manifestationen immer wieder Bezüge da sind zu größeren, auch religiösen Traditionen. Das können Theologinnen und Theologen machen. Ich wüsste nicht, wer das sonst machen kann. Und dafür brauchen wir sie einfach."