Auferstanden von den Toten? Was es mit Jesus und der Auferstehung auf sich hat
Foto: Kathpress / Henning Klingen
Podcast vom 16. April 2022 | Gestaltung: Henning Klingen*
Mit der Karwoche und Ostern feiern Christen den Höhepunkt ihres Glaubens. Es ist dies das Geheimnis des Todes und der Auferstehung Jesu Christi, wie es in religiöser Sprache heißt. Aber was heißt das tatsächlich, dieses "auferstanden von den Toten"? Genügt es, mit Paulus den Gläubigen entgegenzuschleudern "Wenn Christus nicht auferstanden ist, ist unser Glaube umsonst"? Und letztlich: ist das nicht alles irgendwie fauler Budenzauber?
Es geht heute bei "Diesseits von Eden" also ans Eingemachte. Nicht nur aus geschichtlicher Sicht oder aus Sicht der gelebten Religiosität, sondern auch aus Sicht der Theologie. Es ist mir daher eine Freude, unsere heutigen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner in dieser Arena willkommen zu heißen. Zum einen ist dies die Wiener evangelische Kirchenhistorikerin Prof. Uta Heil; weiters der Linzer katholische Neutestamentler Prof. Christoph Niemand und schließlich der Wiener katholische Fundamentaltheologe Prof. Wolfgang Treitler.
Beginnen wir vielleicht mal etwas unbiblisch und mit den "hard facts". Zunächst habe ich Frau Prof. Heil gefragt, was wir eigentlich von Jesus von Nazareth wissen. Was ist eigentlich historisch verbrieft und welche Quellen jenseits der Evangelien haben wir zur Verfügung, um uns der Person Jesu anzunähern?
Heil: "Es ist natürlich inzwischen so, dass man gar nicht mehr so einer radikalen historischen Kritik folgt, wie es früher schon mal geäußert wurde, dass die ganze Person Jesu eigentlich fiktiv ist oder ein Mythos ist. Man geht heute von der Historizität und Existenz der Person Jesu aus, dass er also tatsächlich gelebt hat und dann auch hingerichtet worden ist. Das ist Fakt, auch wenn man über Details aus seinem Leben dann streiten kann. Aber außerchristliche Quellen gibt es natürlich nicht so reichhaltig viele. Es gibt einige aus späterer Zeit, zum Beispiel von Tacitus, in dessen Annalen es um die neronische Verfolgung geht. Da werden 'Christiani' erwähnt, also Christen, die sich an Christus orientieren, der unter Pontius Pilatus hingerichtet worden ist. Man könnte noch das Sueton-Edikt nennen, was Juden ausweist, die 'von Christus aufgehetzt' wurden. Da haben wir etwas, das relativ nahe an die zeitliche Grenze vom Leben Jesu heranführt."
Prof. Uta Heil, Universität Wien
Niemand: "Fakt ist: Jesus wurde gekreuzigt. Das nächste historische Faktum, das wir haben, ist: Menschen aus den ehemaligen Anhängern Jesu behaupten, Gott hat Jesus auferweckt aus den Toten. Es ist die älteste sprachliche Gestalt des Osterglaubens. Dass Gott Jesus auferweckt hat, kann aber kein historisches Faktum sein, denn dann würde dieser Jesus zurückgekehrt sein in die historische Realität. Und das ist ja nicht der Fall. Also das Faktum der Auferweckung ist uns als historisches Faktum nicht zugänglich. Aber Fakt ist, dass Jesus gekreuzigt wurde und dass nach seinem Tod seine Anhänger gesagt haben: Gott hat ihn auferweckt."
Prof. Treitler, was bedeutet denn dieses "Auferweckt aus den Toten" vor dem Kontext, dass dies ja in eine jüdische Gesellschaft hinein gesprochen wurde? Was muss man wissen vom Judentum, wenn man so einen Satz sagt?
Treitler: "Da muss man eigentlich nur wissen, dass es schon Jahrzehnte davor diese Erwartung gab. Man findet das vor allem im Makkabäer-Diskurs, dass die Gerechten, die standhalten, und zwar gegen die Hellenisierung, gegen die Einführung von Götzen und was es da alles gegeben hat, eine Art Erwartung auf den Gott haben, der der Gott Israels ist und sie aus dem Tod holen wird. Das ist in der Makkabäer-Geschichte wunderbar dargestellt, dass diese Leute wirklich in der Standhaftigkeit das eigene Leben so weit relativieren, dass sie es hingeben, weil sie fester Erwartung sind, dass Gott sie aus dem Tod holen wird. Und das dürfte auch eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür sein, dass innerhalb dieser jüdischen Kontexte diese Frage der Auferweckung in dem Sinne Thema werden konnte, dass dann von diesem Bekenntnis her die Geschichte Jesu ihre Relevanz gewinnt. Er ist dann nicht ein Irgendwer, sondern er wird qualifiziert als derjenige, der im Sinne einer ganz bestimmten Lebenshaltung, die er auch von den Seinen abfordert, die Gerechtigkeit dieser Zeit lebt. Und das macht dieses Auferweckungsbekenntnis sinnvoll. Paulus macht das ja auch im ersten Korintherbrief deutlich, dass er sich im Bekenntnis der Auferweckung Jesu auf die allgemeine Auferweckung der Toten bezieht und innerhalb dieser allgemeinen Auferweckung der Toten das Bekenntnis zur Auferweckung Jesu relevant wird. Das ist ein klarer Kontext, den er aus der Tradition übernimmt und auf Jesus hin spezifiziert."
Auferweckung und Gericht
Niemand: "Hier stimme ich dem Herrn Treitler grundsätzlich ganz zu, wie er das jetzt dargestellt hat. Das einzige, was ich hier sozusagen noch dazulegen möchte: Jüdische Apokalyptik heißt im Wesentlichen: Man hofft, man erwartet auf ein geschichtsbeendendes Eingreifen Gottes, das die weltliche Unrechtsstruktur beenden wird. Zur apokalyptischen Vorstellung gehört außerdem immer ein Gericht: Gott stellt die Mörder und die Gefolterten noch einmal gegenüber. Und dazu braucht es auch eine Auferweckung - damit Recht geschaffen werden kann, damit die Gerechtigkeit hergestellt werden kann, holt sich Gott die aus dem Tod. Das heißt Auferweckung und Gericht gehört jüdisch zusammen oder apokalyptisch zusammen. Und wenn die Christen jetzt sagen: Gott hat auferweckt den Jesus aus den Toten, dann heißt es: Gott hat Gericht gehalten über ihn, Gott hat ihn rehabilitiert, Gott hat das Urteil des Pilatus revidiert und diesen Jesus zum Herrn und Messias gemacht."
Prof. Christoph Niemand, KU Linz
Heil: "Interessant ist, dass man schon bei Paulus lesen kann, dass eben Paulus nicht nur an einen geretteten Märtyrer oder einen auferweckten Propheten denkt, sondern Paulus schon eine recht hohe Christologie hat. Auch er geht ja schon davon aus, dass wir nicht nur den Weg von unten nach oben haben, sondern in Erinnerung zum Beispiel an den Philipper-Hymnus, wo er schon etwas zitiert, das noch älter ist, wo er von einer göttlichen Gestalt spricht, die für gottgleich erklärt wird. Oder er spricht vom Sohn Gottes. Und das ist ja relativ starke, hohe Theologie, die wir schon bei Paulus erkennen können. Und daran wird natürlich angeknüpft auch in späteren Logos- und Sophia-Spekulationen, die aber auch aus dem Judentum kommen und an die unsere christlichen Theologen dann in ihrem weiteren Nachdenken über das Christus-Ereignis anknüpfen."
Zwei Arten von Christologie
Lässt sich denn eigentlich ein Moment ausmachen - sei es historisch, sei es biblisch -, wo sich das Judentum und das Christentum voneinander trennen?
Niemand: "Den kann man schon ausmachen. Das ist aber kein Punkt der Glaubensentwicklung, sondern eher ein soziologischer und Punkt der Gemeindeentwicklung. Aber ich möchte zunächst ganz der Kollegin Heil zustimmen, dass wir im Neuen Testament ein ganz breites Spektrum von Christologien haben, das heißt von Bedeutungszuschreibungen und deren kulturellen Biotopen. Wenn ich es ein bisschen ordnen oder sortieren müsste, würde ich sagen: Die Christologien im Neuen Testament sind wie eine Ellipse mit zwei Brennpunkten. Das eine sind Christologien der Dramatik des Todes Jesu: der, von dem wir geglaubt hätten, er wäre der Messias, der wurde gekreuzigt... Und aus dieser Wahrnehmung sagen sie: Gott hat ihn auferweckt und erhöht. Das ist die österliche Erhöhungs-Christologie. Aber bei Paulus haben wir auch eine zweite Christologie, die besagt: Er ist der, der die Welt schon geschaffen hat, der uns geschaffen hat. Das heißt, wir haben schon früh zwei Typen von Christologie: eine ist jüdisch-palästinensisch, apokalyptische, und die andere ist eine, die Elemente enthält, die schon hellenistisch, allerdings hellenistisch-jüdisch geprägt sind. Da wird nicht Plato rezipiert, sondern Philo von Alexandrien, der jüdische Religionsphilosoph oder das Buch der Weisheit..."
Als Christen steht es uns natürlich nicht gut an, dem Judentum zu erklären, dass es die Person Jesu falsch gedeutet hat. Wie passt das aber zusammen, dass die jüdische Messiaserwartung weiterhin aufrecht ist, dass wir als Christen dies auch theologisch und religiös würdigen, und auf der anderen Seite wir als Christen Jesus als Erfüllung, als Gottes letztes Wort begreifen. Wie passt das beides zusammen?
Treitler: "Wahrscheinlich passt das gar nicht zusammen. Es ist vor kurzer Zeit eine Publikation erschienen, die trägt den Titel 'Der jüdische Messias kommt nicht'. Die Autoren zeigen darin sehr deutlich auf, warum es in der rabbinischen, jüdischen Welt Vorbehalte gegen einen gekommenen Messias gibt: Wann immer ein Messias proklamiert wurde und in die Zeit kam, hat sich entweder nichts verändert oder etwas zum Schlechteren verändert für die jüdische Gemeinschaft. Und das hat zur These geführt, dass jeder in der Zeit identifizierte Messias es nicht ist - und dadurch in bestimmten Bereichen die Messiasidee zwar nicht aufgegeben wird, aber nicht mehr personifiziert wird, das heißt: man lebt in einer Art messianischen Erwartung, messianischen Zeit, aber nicht mehr bezogen auf eine Figur, die das realisiert, weil das durch die zwei Jahrtausende messianischer Geschichten und Bewegungen einschließlich des Christentums für die jüdische Gemeinschaft desavouiert ist, und nicht zuletzt auch weil im Namen eines Messias zum Teil strukturelle, systematische Gewalt gegen jüdische Gemeinschaften ausgelöst wurde. Insofern glaube ich nicht, dass das zusammenpasst. Ich halte es eigentlich für einen interessanten Vorschlag, den Shmuley Boteach in seinem Buch 'Kosher Jesus' gemacht hat. Er schreibt darin, dass das Judentum, wie er es repräsentiert, Jesus als Messias nicht anerkennt, weil die Zeichen darauf nicht stehen. Aber sollte er am Ende Zeiten kommen und sich als Messias erweisen, dann werden sie selbstverständlich sagen: Du bist es. Aber erst am Ende der Zeiten und nicht davor. Und das halte ich für eine sehr gute Lösung, weil sie die Dissense, die zwischen christlichen und jüdischen Auffassungen in der Hinsicht bestehen, nicht zwanghaft lösen in die eine oder andere Richtung, sondern diese beiden Wege in der Geschichte unterwegs sein lassen, in gegenseitiger Toleranz, ohne irgendetwas aufzuzwingen. Die letzten Lösungen haben wir nicht in der Hand. Wir haben Modelle auf beiden Seiten. Diese Modelle funktionieren mehr schlecht als recht. Sie sind gespannt auf eine Einlösung, die wir nicht herstellen können und auch nicht herstellen werden."
Prof. Wolfgang Treitler, Universität Wien
Mit Blick auf Ostern und die Osterfeiern in den Kirchen: Wie muss man sich das eigentlich in der frühen Kirche vorstellen? Wie hat das Urchristentum ganz praktisch Ostern gefeiert?
Heil: "Es ist total schwierig, darauf eine Antwort zu geben, weil uns da die Quellen absolut im Stich lassen. Also wenn wir nennenswerte Texte, die wir Liturgie nennen können, anschauen wollen, dann sind wir schon im Frühmittelalter. Wir sind also auch auf deskriptive Zufallstexte angewiesen, wie zum Beispiel Justin in seiner Apologie, die er so Mitte des zweiten Jahrhunderts schreibt, und wo das Schlusskapitel ein bisschen über die Versammlung der Christen aufklärt, was sie so machen, wenn sie sich treffen. Aber einzig allein wird es dort von Justin aus dem Grund berichtet, um dem Vorwurf des Aufruhrs zu entgegnen und Vorurteile und Vorwürfe gegen die Christen abzubauen. Also solche 'Zufallstexte' haben wir - und darin wird einfach berichtet, dass die Christen sich versammeln, dass sie Schrift lesen, dass man gemeinsam betet und dass man auch durchaus miteinander singt. Viel mehr wissen wir über diese Frühzeit eigentlich nicht."
Ostern - auf den Punkt gebracht
Die letzte Frage zielt auf die Außenstehenden, die, für die das Christentum ein Buch mit sieben Siegeln ist: Wie würden Sie so jemandem erklären, was Ostern eigentlich ist?
Niemand: "Die ersten Christen, die erste Generation drückt mit ihrem Glauben aus: Das Leben dieses Jesus von Nazareth, das sie gesehen haben, dass sie teilweise mitgegangen sind, dass ihnen Hoffnung gemacht hat, dass da was dran sein könnte, aber dass sie das dann scheitern sehen, am Kreuz vernichtet sehen. Und kein Gott greift ein und holt ihn vom Kreuz runter. Dass sie dann zur Überzeugung gekommen sind: Gott hat das Leben dieses Jesus wahr gemacht, bewährt, so dass er nicht nur irgendwie wie ein Märtyrer ist, sondern dass dieses Leben der Maßstab für ihre eigene Zukunft ist und dass das nicht nur in ihrem Herzen und in ihren Köpfen so ist, sondern dass es wirklich so ist. Das heißt für die Ostern."
Heil: "Ich würde ganz knapp sagen: Ostern zeigt, dass die Hinrichtung und das Sterben Jesu nicht das Ende ist, sondern der Anfang von etwas Neuem. Und das war die Überzeugung der ersten Christen; und die erste Auferstehungszeugin war eine Frau, Maria Magdalena. Erst hat man ihr nicht glauben wollen und dann hat man sich doch überzeugen lassen."
Treitler: "Ich sehe Ostern als eine Art Geheimnis, das die Zeit berührt dadurch, dass dieser Jesus in Gott hinein gestorben ist und von daher dann für die Gemeinschaft, die sich auf ihn bezogen hat und nach ihm dann auch weiterleben wird, die eigentliche Hoffnung begründet."
Das war eine neue Folge von Diesseits von Eden. Vielen Dank fürs Zuhören sagt Henning Klingen.