Drei unter einem Dach: Theologie studieren in Wien
Foto: Henning Klingen
Podcast vom 2. Juni 2022 | Gestaltung: Henning Klingen*
Herzlich willkommen zu einer neuen Folge von "Diesseits von Eden", dem Podcast der Theologischen Fakultäten in Österreich und Südtirol, sagt Henning Klingen. Diesmal geht es nicht etwa um die harte theologische Debatte um Themen und Thesen, sondern ich möchte die neue Entspanntheit im Umgang miteinander nutzen, um einfach mal rauszukommen und Ihnen Leute und Plätze vorstellen, an denen Theologie getrieben wird.
Den Anfang möchte ich machen mit einer Begehung des Hauses in der Schenkenstraße 8-10 in Wien, des "Hauses der Theologien", wenn man so möchte. Denn dort finden sich unter dem einen Dach drei Einrichtungen: die Katholisch-Theologische Fakultät, die Evangelisch-Theologische Fakultät und das Institut für Islamisch-Theologische Studien. Und für alle Nicht-Ortskundigen: Das Haus in der Schenkenstraße befindet sich direkt im ersten Bezirk, im Herzen der Wiener Innenstadt, gleich hinter dem Burgtheater.
Aber jetzt würde ich mich freuen, wenn Sie mich bei meiner kleinen Tour in dieses Haus der Theologie begleiten würden. Verabredet bin ich nämlich sowohl mit Studierenden als auch mit Professorinnen und Professoren...
Fariza: "Hallo, ich bin die Fariza Bisaeva, ich bin 22 und studiere den Bachelor Islamisch-Theologische Studien bereits im sechsten Semester. Also drückt mir die Daumen. Wenn alles gut läuft, bin ich dann fertig mit dem Semester... Und ich bin jetzt seit fast einem Jahr in der Studentenvertretung?"
Jan: "Mein Name ist Jan Kopeinig. Ich studiere jetzt schon seit zehn Semestern. Ich bin in der Fakultätsvertretung der Evangelisch-Theologischen Fakultät und das jetzt auch jetzt schon seit fünf Jahren. Ich weiß manchmal selbst nicht, wie es dazu gekommen ist. Ich bin ein etwas ungewöhnliches Gewächs, das fängt bei mir in der Kindheit an: ich bin eigentlich freikirchlich erzogen worden, also aus dem mennonitischen Rahmen kommend, d.h. konservativ, bibeltreu, wenn man es jetzt so nennen möchte. Ich habe mich dann aber dagegen gestemmt und für den evangelischen Glauben entschieden und konvertiert gegen den Willen meiner Eltern."
Gibt es bei dir auch so einen Hintergrund, solche Umwege zum Theologie-Studium?
Fariza: "Also ich glaube, so wie bei dir ist es bei mir nicht so ganz, aber. Also es war nicht geplant, dass ich Theologie studiere. Eigentlich wollte ich Medizin studieren. Theologie hatte ich nie im Blick. Und jetzt sage ich: vielleicht mache ich auch noch den Master... Was mich super überrascht hat, war die Komplexität des Faches, was im Religionsunterricht total untergegangen ist. Man muss wirklich viel lernen."
Wie reagiert denn euer Freundeskreis, wenn ihr sagt, dass ihr Theologie studiert?
Jan: "Bis zu einem gewissen Grad wird man angeschaut wie ein Außerirdischer. Und es kommt immer die Frage nach evangelisch oder katholisch. Wenn ich dann sage evangelisch, kommt immer: Ach so, dann kannst du ja heiraten. Und manchmal wird noch gefragt: Müsst ihr nicht auch so Sprachen lernen ? Und dann sage ich ja, Latein, Hebräisch und Altgriechisch. Die Reaktion: Oh, Gott, das wäre nie was für mich..."
"Du tust da ja eh nix und verschwendest dein Talent"
Fariza: "Ich kann mich da anschließen. Wir müssen zum Beispiel Arabisch lernen, also Alt-Arabisch, und das ist für viele schwer zu schlucken. Ansonsten gibt es zwei Reaktionsarten der Leute: Die einen, die nach dem Motto reagieren 'Du tust da ja eh nix und verschwendest dein Talent' - und die anderen, die fragen, was man da eigentlich lernt, ob wir da alle indoktriniert werden und so."
Nun war die Fakultät in den letzten beiden Jahren ja häufig Corona-bedingt geschlossen bzw. fand die Lehre online statt. Wie ist das jetzt? Sind alle Studis wieder "da", ist das Haus wieder voller Leben?
Fariza: "Bei uns sind die meisten glücklich, wieder Ort sein zu können - u.a., weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass wir im Distance learning noch viel mehr leisten müssen als sonst... Jetzt genießen wir es, wieder Kontakt mit anderen zu haben. Ein geisteswissenschaftliches Fach bedeutet halt, miteinander in Kontakt zu sein, gemeinsam zu denken, zu reflektieren, sich auszutauschen."
Jan: "Bei uns ist das ein bisschen anders: Studierende kommen zwar wieder her, aber es sind doch weniger als vorher. Das hat glaube ich auch damit zu tun, dass die ganze Online-Lehre sehr anstrengend zu einfach 'zu viel' war. Es ist einfach schwerer, jetzt wieder zu den Leuten durchzudringen, sie zu motivieren, mitzutun."
Was ist eurer Meinung nach denn besonders am Studienort Wien? Warum sollte man nach Wien kommen, um hier Theologie zu studieren?
Fariza: "Weil wir ein noch recht neues Studium sind, haben wir den Vorteil, dass wir noch ein großes Maß an Flexibilität haben. Wir konnten als Studierende sogar Anpassungen im Curriculum erwirken. Und da wir recht klein sind, haben die Lehrenden auch viel Zeit für uns. Das ist ein Luxus gegenüber anderen Studiengängen. Aber ansonsten ist Wien einfach eine coole Stadt!"
Jan: "So jung wie ihr sind wir zwar nicht mehr - wir haben gerade 200 Jahre Evangelisch-Theologische Fakultät gefeiert -, aber auch wir sind relativ klein und haben daher einen sehr guten Betreuungsschlüssel. Es hat fast ein bisschen was Familiäres. Und ich liebe auch Wien, die traditionelle Wiener Küche - wir haben halt einfach das beste Schnitzel hier..."
Dem Himmel so nah - über den Dächern von Wien
Vielen Dank euch beiden! - Gehen wir jetzt weiter und steigen wir hinauf in den 6. Stock. Dort bin ich eingeladen bei Frau Professor Uta Heil, der Vize-Dekanin der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Außerdem dabei: die Institutsvorständin des Instituts für Islamische Theologie, Frau Dr. Ebrahim, sowie der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Professor Johann Pock.
Heil: "Herzlich willkommen hier oben über den Dächern von Wien in meinem Büro. Ich bin seit inzwischen sieben Jahren hier an der Fakultät. Früher waren wir an anderen Standorten in Wien untergebracht, aber hier steigen wir als Evangelische den anderen sozusagen auf's Dach..."
Pock: "Grüß Gott, mein Name ist Hans Pock, ich bin Steirer von meiner Herkunft her, wo ich 25 Jahre an der Universität Graz verbracht habe, dann drei Jahre in Bonn - und jetzt bin ich seit 2010 in der Katholisch-Theologischen Fakultät tätig. Mein Fach ist die Pastoraltheologie, und für mich ist dieser Standort hier in Wien so spannend, weil hier die unterschiedlichen Theologien aufeinandertreffen."
Ebrahim: "Mein Name ist Ranja Ebrahim, ich bin gebürtige Wienerin. Meine Eltern stammen aus Ägypten, sind aber schon seit über 40 Jahren in Österreich. Somit fühle ich mich als Wienerin durch und durch. Ich freue mich sehr auf diesen Austausch, denn es kommt leider noch viel zu selten vor, dass wir so aktiv in den Austausch treten - wobei, wenn wir es denn tun in einzelnen Fächern oder mit Veranstaltungen, kommt das unter Studierenden immer sehr gut an."
Wir sitzen jetzt bei Kaffee und Wasser entspannt zusammen, ohne Maske. In den letzten zwei Jahren gab es ja immer wieder massive Einschränkungen in der Präsenzlehre. Wie nehmen Sie nun die Lockerungen wahr? - Ist das Leben an die Uni zurückgekehrt?
Ebrahim: "Für uns ist es besonders wichtig, wieder live zusammenzukommen, weil unser Institut noch sehr jung ist und sich alles noch einspielen muss. Man hat zwar mit der digitalen Lehre versucht, die Dinge irgendwie am Laufen zu halten, aber es ging dabei doch auch einiges verloren. Jetzt kommt das Leben langsam zurück und wir versuchen, uns mit anderen stärker zu vernetzen."
Heil: "Wir haben dieselben Probleme wie andernorts auch. Die digitale Lehre hat bei den Vorlesungen noch recht gut funktioniert, aber gerade bei Übungen und Seminaren kam das doch an seine Grenzen, weil der Austausch und das Erleben auch des Anderen fehlte."
Pock: "Was mir vor allem abgegangen ist, ist, dass die Studierenden untereinander sich auch kritisch erleben: In diesen digitalen Formaten ist es meist ein Gegenüber von Studierenden und Lehrenden. Und die vielfältigen unterschiedlichen Positionen auch unter den Studierenden kommen dabei gar nicht recht zur Geltung, wie wenn man in Präsenz diskutiert."
Wie werden Sie als Theologinnen und Theologen denn von KollegInnen an der Uni wahrgenommen? Wird die Theologie als Disziplin ernst genommen?
Heil: "Das ist absolut unterschiedlich. Es kommt darauf an, wen man trifft. Es gibt sehr große Vorbehalte gegenüber Theologie als Wissenschaft. Viele meinen, wir sind eh nicht mehr als ein 'erweiterter Gebetskreis' oder so etwas. Aber was viele Kollegen auch anderer Fächer wirklich schätzen ist unsere sehr große und umfangreiche Bibliothek mit fast 450.000 Bänden. Und wo wir bei der Wertschätzung sind: Unsere Studierenden schätzen an uns die Kleinheit. Das Betreuungsverhältnis ist sensationell, man erwartet so etwas vielleicht eher in Harvard... und das bedeutet auch: Wer hier keinen Kontakt findet - da weiß ich dann auch nicht weiter..."
Ebrahim: "Was spannend ist aus meiner Sicht sind die unterschiedlichen Erwartungen der Studierenden, die sich oft überhaupt nicht mit dem decken, was sie dann bei uns eigentlich bekommen - nämlich ein intensives Studium, in dem es nicht darum geht, den Koran auswendig zu lernen. Das Studium ist sehr herausfordernd, da wir den Studierenden ja nur die Tools geben - kritisch denken und daran reifen müssen sie dann selber."
Pock: "Was manchen nicht so bewusst ist, ist, dass das Theologiestudium ein 'Studium generale' darstellt, wo man tatsächlich unterschiedlichste Methoden kennenlernt - historische, rechtswissenschaftliche, praktische Methoden, soziologische etc. Das heißt, wir haben eine Fülle an unterschiedlichen Zugängen zur Wirklichkeit und die Studierenden können sich da auch im Prinzip ein wenig aussuchen, welchen Schwerpunkt sie setzen: Gehen sie in die Schule, gehen sie in den Medienbereich, gehen sie vielleicht auch in einen karitativ-sozialen Bereich... Außerdem haben wir hier mit dem Forschungszentrum 'Religion and Transformation' eine etablierte und anerkannte interdisziplinäre Forschungsplattform, die von vielen WissenschaftlerInnen auch außerhalb der Theologie wahrgenommen wird."
"Herausragende Stadt, herausragende Leute, herausragendes Studium"
Und wieder Stiegen, diesmal abwärts. Zurück ins Foyer und ins "Café Theol", wo ich zu einem letzten Gespräch für diesen Podcast den Studienvertreter der Katholisch-Theologischen Fakultät treffen werde.
Michael: "Ich bin Michael Semmelmeyer. Ich bin jetzt seit gut vier Jahren bei der Studentenvertretung und selber studiere ich Theologie. Ich bin Priesterseminarist und seit einem Monat Diakon. Ich komme aus einem kleinen Dorf im Weinviertel bei Hollabrunn. Da ist es üblich, sich zu engagieren - in der Pfarre, im Verein - und so war ich auch schnell überzeugt, mich hier in der Fakultät, an der Uni einzubringen."
Du willst Priester werden - wie reagiert da deine Umwelt drauf, wenn du ihnen das sagst?
Michael: "Zuerst schauen die Leute meist ein bissl überrascht, dass so ein junger Mann sich auf diesen Weg einlässt. Aber dann bekomme ich auch viele Rückmeldungen, die das super finden und mich darin bestärken."
Nun ist ja die katholische Kirche in letzter Zeit wieder vermehrt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten - Stichwort: Missbrauchskrise etc. Damit zusammenhängend haben auch die offiziellen Vertreter, auch die Priester, oft keinen so guten Leumund. Wie gehst du persönlich damit um? Eigentlich?
Michael: "Es ist natürlich etwas, das die Glaubwürdigkeit der Kirche sehr angekratzt bis zu zerstört hat. Die Leute, die mich kennen, werfen mir das nicht vor. Aber es ist natürlich ein Problem, für die Institution einzutreten, da diese Dinge alle diametral gegen das stehen, wofür die Kirche eigentlich stehen sollte. Aber es lehrt einen auch die Demut, dass die Kirche nicht allein von diesen Dingen abhängt, sondern sie viele gute Dinge tut, die wir nicht aus den Augen verlieren dürfen."
Du sagtest, dass du aus dem Weinviertel kommst - da war Wien als Studienort quasi "aufgelegt".
Michael: "Ja, aber die Stadt ist enorm vielfältig und das Studienangebot und die Vielfalt an der Fakultät sehr, sehr groß. Das kulturelle Leben ist sehr bunt und es ist sehr bereichernd, mit so vielen Studierenden gemeinsam zu leben und zu studieren. Und natürlich ist die Qualität des Studiums hier mit machen herausragend Persönlichkeiten unter den Lehrenden sehr groß."