Reduktion! - Oder: Was braucht es eigentlich in Theologie, Kirche und Liturgie?
Foto: Screenshot Salzburger Hochschulwochen
Podcast vom 7. August 2023 | Gestaltung: Henning Klingen*
Seit über 90 Jahren kommen hunderte Teilnehmer, Studierende wie Bildungshungrige, Jahr für Jahr nach Salzburg zu einer smarten Sommerfrische - zu den Salzburger Hochschulwochen. Und von denen melden wir uns jetzt live mit einer neuen Folge von unserem Podcast "Diesseits von Eden". Das liegt nahe, denn die Wochen sind immer schon der Theologie eng verbunden, ja verpflichtet gewesen. Und das mit dem Anspruch, nicht nur solitär über Gott nachzudenken, sondern sich den Einsprüchen, Bedenken, Anregungen auch anderer Disziplinen immer wieder auszusetzen.
In diesem Jahr lautet das knackige und zunächst mal gar nicht so theologisch klingende Thema "Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen". Dass das Thema auch dezidiert theologische Momente enthält, wissen meine heutigen Gesprächspartner zu berichten und darzulegen. Das ist zum einen der Obmann der Hochschulwochen, der Salzburger Theologie-Professor Martin Dürnberger. Dann weiters der Paderborner Theologe und Eröffnungsredner Prof. Aaron Langenfeld und der Erfurter Liturgiewissenschaftler und langjährige Hochschulwochen-Besucher Prof. Benedikt Kranemann. Herzlich willkommen erstmal in die Runde!
Das Wort gehört natürlich in so einer Runde und angesichts des Ortes erst mal dem Obmann... Martin, was macht denn das Thema Reduktion a) zu einem heißen Thema und b) zu einem Thema für Theologie und Kirche?
Dürnberger: "Wir gehen bei den Hochschulwochen eigentlich immer von der Idee aus, Themen zu setzen, die gesamtgesellschaftlich dran sind, aber auch natürlich Bezug zur Kirche haben. Und beim Thema Reduktion ist das die Wahrnehmung, die uns geleitet hat: Also die Idee, dass es so nicht weitergehen kann wie bisher mit dem Ressourcenverbrauch und dergleichen mehr und dass hier eine Reduktion in bestimmter Hinsicht ansteht. Diese Idee finden wir gesamtgesellschaftlich - und wir finden auch kirchlich die Wahrnehmung, dass es so nicht weitergehen kann wie bisher, und dass wir da auch mit Reduktion zu tun haben, die auch erleiden. Und die Frage, die sich dann stellt, ist natürlich: Können wir Reduktion nicht nur erleiden? Ist es etwas, was uns aufgezwungen wird? Oder können wir sie auch gestalten? Und das ist eine Frage, die sich in breiten Teilen der Gesellschaft stellt, aber auch der Kirche."
In breiten Teilen der Gesellschaft und der Kirche: Das ist eine schöne Überleitung zum eben schon vorgestellten Eröffnungsredner Aaron Langenfeld. Aaron, du hast ja dezidiert zum Thema Kirche geredet in deinem Vortrag: "Ist das Kirche oder kann das weg?" und zur Frage der Konzentration aufs Wesentliche. Was sind da deine Antworten drauf?
Langenfeld: "Also für mich zentral ist, dass ich glaube, dass gesamtkirchlich das Gefühl da ist, dass die Reduktion im Moment eher eine Zwangsmaßnahme darstellt. Also überall muss was weg, was man liebgewonnen hat - und was immer in die Gefahr führt, dass die Kirche in ihrer Vielfalt reduziert wird, beschnitten wird, dass also bestimmte Zweige abgeschnitten werden, die aber für bestimmte Gruppen auch ganz wichtig sind. Genau dem wollte ich mit meinem Vortrag widersprechen und sagen: Es ist entscheidend zu schauen, wie hat man die Vielfalt, die gerade die katholische Kirche ausmacht, würdigt. Und das muss gleichzeitig so passieren, dass das Wesentliche der Kirche nicht verloren geht, nämlich dass sie Vertrauen der Menschen untereinander stiftet und hilft, positive Wirklichkeitsbezüge zu haben und da Wege zu finden, nicht auf einer Strukturebene einfach nur versuchen, gewissermaßen mit dem Holzhammer Lösungen zu erzwingen, sondern jeweils am Ort schauen: Was ist hier gerade wichtig, um einerseits Vielfalt zu wahren und gleichzeitig auf dieses wesentliche Moment des Vertrauen-Stiftens zurückzuführen. Das ist mein Anliegen, das ich hier vorbringen wollte."
Langenfeld: "Reduktion schaffen und Vielfalt bewahren"
Nur kurz nachgefragt - kannst du das noch etwas konkretisieren? Wo sind denn Momente, wo Kirche eine Reduktion erfährt jenseits des Abschmelzen der Mitgliederzahlen?
Langenfeld: "Reduktion in der Kirche passiert eigentlich überall. Also gerade aktuell ist jetzt immer wieder die Frage nach den Immobilien auf dem Tisch. Was macht man mit Kirchenräumen? Wie werden die genutzt und wie geht die Kirche damit um, dass sie etwas vor Ort für die Menschen Wichtiges verliert und aufgeben muss? Und ich glaube, dass da nicht immer Antworten gut sind, die man von oben auf das ganze Bistum auflegt, sondern dass man schaut, wie diese Orte vor Ort weiter genutzt werden können - als Räume für die Menschen, an denen sie selber Gestaltungsspielraum haben."
Das sind jetzt sehr praktische Aspekte. Ähnlich wie bei dir, Benedikt Kranemann. Du hast in einem sogenannten "lit/lab", einem neuen Format bei den Hochschulwochen, konstatiert, dass die Krise der Kirche sich auch in der Liturgie, also im Gottesdienst abzeichnet. Wie genau eigentlich? Und was ist das Problem daran, wenn eigentlich immer weniger Menschen an Gottesdiensten teilnehmen? Ist das nicht nur das Sterben der einen Form, die wir kennen, die uns lieb ist? Vielleicht kommt ja etwas ganz Neues danach...
Kranemann: "Ja, darin könnte eine Chance bestehen. Und das ist ja auch die Hoffnung, die sich mit der Krise der Liturgie verbindet, dass etwas zurückgeschnitten wird, dass etwas zurückgeht durch rückläufige Teilnehmerzahlen und dass möglicherweise etwas Neues entstehen kann. Zur Krise der Liturgie: Das sind sicherlich die Teilnehmerzahlen. Und da geht es nicht nur um die Eucharistiefeier an Sonntagen, sondern um Liturgie in ihrer ganzen Breite. Das meint aber auch die eigentlich allgegenwärtige Kritik am Klerikalismus, das heißt an ganz bestimmten Leitungsverantwortungsformen, an Weisen des Sprechens etc. Und Krise der Liturgie aber auch deshalb, weil viele sich mit den überlieferten Formen des Gottesdienstes, der Sprache, mit den Riten, zum Teil auch mit der Theologie der Liturgie schwertun. Und da sehe ich schon eine Möglichkeit der Reduktion_ zum einen wegzukommen von nur einer Form der Liturgie, die zumindest im deutschen Sprachgebiet nach meiner Beobachtung nach wie vor sehr dominierend ist: der Eucharistiefeier. Zum anderen aber auch kritisch nachzufragen: Was gibt es an Elementen in der Liturgie, die den Blick auf das Wesentliche verstellen und wo man einfach sagen muss: Da muss etwas verschwinden, da muss etwas zurückgeschnitten werden, damit das, was im Mittelpunkt steht, wirklich lebt und die Menschen auch erreicht. Die katholische Kirche hat im Laufe des 20. Jahrhunderts immer wieder in Dokumenten die große Bedeutung von Liturgie für das kirchliche Leben betont. Wenn wir jetzt in einer Situation sind, wo zumindest in Deutschland unter 6 % der Katholikinnen und Katholiken noch regelmäßig am Sonntagsgottesdienst teilnehmen, ist das auf jeden Fall eine Problemanzeige und muss sich die Kirche überlegen: Was bedeutet das für ihr Selbstverständnis? Was bedeutet das für Spiritualität und wie schlägt sich das auch in anderen Bereichen kirchlichen Lebens wieder? Das ist keine Frage, die die Verantwortlichen kaltlassen kann, sondern ich würde schon sagen, das ist auch eine Frage, die die Existenz von Kirche betrifft."
Prof. Benedikt Kranemann beim "lit/lab"
Kranemann: Von neuen liturgischen Formen lernen
Noch eine Frage an dich als in Erfurt lehrender Theologe: Da haben wir ja die Situation einer extrem säkularen Gesellschaft. In dieser Situation gibt es kirchlich auch einen gewissen Reiz dieses Diaspora-Daseins, das Innovation freisetzt. Wenn wir hier über Reduktion reden, dann wäre vielleicht auch die Frage zu stellen: Was sind denn Chancen, die in der Reduktion liegen?
Kranemann: "Zunächst muss man sagen: In den ostdeutschen Bistümern ist die Zahl derer, die sonntags Eucharistie feiern oder an Wort-Gottes-Feiern teilnehmen, entschieden größer und höher als in anderen Bistümern. Aber sie ist auch rückläufig - und sie ist auch rückläufig in volkskirchlich geprägten Gebieten wie beispielsweise dem Eichsfeld. Auf der anderen Seite hat man es nach der friedlichen Revolution verstanden, neue Formate von 'Gottesdienst' aufzusetzen, die zum Teil wirklich weit in die Gesellschaft hineinwirken und die insbesondere auch Menschen ansprechen, die keine Kirche angehören. Das ist unter anderem die Lebenswende-Feier. Das könnte man parallel zur Firmung bzw. Konfirmation sehen, auf jeden Fall parallel zur Jugendweihe. Und da haben wir heute einen Ort in Ostdeutschland, Halle an der Saale, wo mittlerweile mehr Jugendliche an diesen Lebenswende-Feiern teilnehmen als an Firmung und Konfirmation zusammen! Nach meinen Informationen jetzt im Jahr 2023 rund 800 Jugendliche. Und da zeigt sich schon eine Diskrepanz: Auf der einen Seite ein nachlassendes Interesse bis in den Kern von Gemeinden hinein an dem, was tradierte Liturgie ist, und auf der anderen Seite aber doch die Beobachtung, dass solche Feiern, Rituale sich einer großen Nachfrage erfreuen. Und ich denke, auch dieser Spagat ist noch mal eine Frage: Was stimmt bei dem einen, was ist bei dem anderen möglicherweise das Problem? Und wie könnte man aus diesem Neuen möglicherweise auch noch mal lernen?"
Dürnberger: "Also eine Überlegung, warum es zu 'lit/lab' kam, sind genau solche Beobachtungen, wie du sie jetzt geschildert hast, nämlich dass wir eigentlich der Überzeugung sind: Wenn wir hier nicht handeln und Impulse setzen, dann sind wir in Kürze so weit, dass die Kompetenz verloren geht und auch nicht mehr problemlos neu aufgebaut werden kann. Gemeint ist hier eine Ritualkompetenz, die aus einer gewissen Traditionskenntnis heraus kommt und trotzdem Neues probiert. Also wenn man diese Impulse jetzt nicht setzt, wird's schwierig. Und ich sehe das auch so, dass es eine Form von Nachfrage und Attraktivität gibt. Konkretes Beispiel: Ich war zwei Wochen vor den Hochschulwochen mit Studierenden in Taize. Das ist eine Form von Gottesdienst, die sehr reduziert ist im Vergleich zur klassischen katholischen Eucharistiefeier. Und sie entwickelt einen erstaunlichen Sog und eine Anziehungskraft. Wir wollen das nicht kopieren, aber doch Menschen befähigen, eigene Formate auch zu entwickeln aus dem heraus, was schon funktioniert."
Prof. Martin Dürnberger eröffnet die Salzburger Hochschulwochen
Theologische Fakultäten als Orte gemeinsamen Suchens
Wir haben jetzt schon sehr stark über Glaubenspraxis gesprochen, über den Ausdruck des Glaubens in gottesdienstlichen Formen. Wenn wir jetzt auf die Theologie blicken: wie hängt denn das zusammen? Die theologischen Fakultäten in Österreich wie in Deutschland leiden unter einem Rückgang an Studierenden. Wann wird das zu einem Kipppunkt, dass auch Theologie in ihrer Vielfalt einer Reduktion unterworfen sein wird? Was passiert, wenn die Zahlen weiter sinken und wenn irgendwann Theologie auch institutionell beschnitten wird? Was macht das mit Theologie eigentlich, mit dem Nachdenken über Gott?
Langenfeld: "Das ist eine sehr komplexe Frage, weil da auch bildungs politisch andere Fragen noch mitspielen. Etwa dass universitäre Studierendenzahlen insgesamt zurückgehen, dass Buch-bezogene Wissenschaften immer mehr an Popularität verlieren und dass man auch Schwierigkeiten hat, komplexere geisteswissenschaftliche Gedanken überhaupt als attraktiv darzustellen. Da gibt es also viele Dinge, die man in dieser Richtung dazu sagen kann. Ich möchte da jetzt nicht mirakeln - ich weiß nicht, was irgendwann aus der Theologie werden wird. Ich glaube nur, dass man schon sagen kann, dass ein bestimmter Kipppunkt längst erreicht ist, dass die Zahlen schon so niedrig sind, dass wir längst überall aktiv überlegen, wie Theologie in Zukunft aussehen kann, welche Relevanz sie hat und wie sie sich entwickeln kann, sodass sie auch neue, gesellschaftlich relevante Felder erschließt, die vielleicht gar nicht so unmittelbar in der politischen Öffentlichkeit gesehen werden. Also ein Beispiel wäre etwa ein Thema, das fast aus der Zeit gefallen wirkt, nämlich das der Ökumene: Wir haben sehr viel über interreligiöse Begegnung und Dialog gesprochen. Da könnten theologische Fakultäten tolle Ort sein, um neu zugewanderten Gruppen anderer Religionen oder Konfessionen eine kulturelle und religiöse Identitätsbildung hier im Land zu ermöglichen. Und ich glaube, da ist ein Riesenpotenzial, sich selber auch weiterzuentwickeln und neu hören zu lernen, was gerade eigentlich gefragt ist, wer Theologie braucht und wofür sie dann da sein kann."
Dürnberger: "Also ich habe keine steilen Thesen, auch keine Sätze wie 'Kirche muss in Theologie ..., muss jetzt ...' Was ich mir selbst hin und wieder sage ist: Vielleicht muss man es tugendethisch probieren, dass man zumindest Haltungen für sich selbst kultiviert, Haltungen einer bleibenden Wachheit und Sensibilität, wenn sich neue Räume auftun, dort reinzugehen und wenn es Möglichkeiten gibt, interdisziplinär anschlussfähig zu sein an der eigenen Fakultät, dann das Gespräch zu suchen. Also der Masterplan, dass ich jetzt Entwicklungen für die kommenden fünf Jahre festlege, das funktioniert in meiner Einschätzung wahrscheinlich kaum. Aber die Idee, bestimmte Haltungen zu kultivieren, bleibend vernetzt zu denken, sich auf diese Weise in der zivilgesellschaftlichen Debatte zu verankern, zu schauen, ob es Anschlüsse an den eigenen Universitäten, in der Kirche, vor Ort gibt ... Dann habe ich viele Anknüpfungspunkte und habe idealerweise ein Netz und erlange vielleicht auch Relevanz. Vielleicht ist das das einzige, was man anbieten kann: Das tun, was man kann, wach bleiben, sensibel bleiben, auch humorvoll bleiben und darauf hoffen, dass sich dann so wie beim Klettern in der Wand eine Neuheit an Möglichkeiten ergibt, die ich aber von meinem Punkt, an dem ich jetzt in der Wand bin, vielleicht noch gar nicht sehe."
Prof. Aaron Langenfeld bei seinem Eröffnungsvortrag
Langenfeld: "Ich stimme dir grundsätzlich zu, Martin, darin, dass ich auch sagen würde, ein Masterplan und eine Antizipationsfähigkeit dessen, was auf uns zurollt, gibt es natürlich nicht. Ich würde aber trotzdem sagen: Es braucht auch das Selbstbewusstsein, auch Themen auf die Agenda zu setzen, weil ich glaube, dass es im öffentlichen Diskurs auch illegitime Reduktionen von Gedankengängen gibt, die man wach halten sollte. Also nicht nur Wachsein im Sinne dessen, wo kann man ansetzen, sondern auch: Welche Leerstellen gibt es im öffentlichen Raum, wo Theologie schon lange auch gute und brauchbare Modelle entwickelt hat, um sich zu Wort zu melden und damit auch Themen zu setzen? Das erscheint mir schon auch elementar."
"Die Gottesfrage weiter wachhalten"
Was wären da Beispiele dafür?
Langenfeld: "Also die Gottesfrage überhaupt wach zu halten in einem säkularen Kontext als rationale Möglichkeit des Wirklichkeitsverstehens. Es ist nicht einfach an sich schon kritisch zu sagen 'Gott kann es gar nicht geben', sondern es ist Teil kritischen Denkens, die Möglichkeit immer wieder zu prüfen, unter welchen Bedingungen Menschen von Gott sprechen. Und in dieser Aufgabe sehe ich Theologie schon, dass sie die rationale Möglichkeit immer wieder einspielt in die Diskurse und das auch aktiv tut und nicht nur, wenn sie angesprochen wird, sondern in bestimmten philosophischen oder naturwissenschaftlichen Diskussionen darauf hinzuweisen."
Kranemann: "Ob es die 'große' Lösung gibt für die theologischen Fakultäten, da bin ich skeptisch. Das wird sehr stark von Orten abhängen, also Orten, an denen evangelische und katholische theologische Fakultäten nebeneinander existieren; die haben bestimmte Möglichkeiten auf Zukunft in der Kooperation. Man wird die Spielräume vor Ort ausloten müssen. Es geht zunächst mal darum, dass man weiterhin gute, attraktive Theologie betreibt. Umso mehr wird man sich im Wissenschaftsbetrieb auch halten können. Und wie du sagst, Aaron: Vielleicht müsste die Theologie sich häufiger bemühen, auch Themen zu setzen über das eigene Fach hinaus. Das macht sehr stark die Soziologie zurzeit, und das machen einige stark kulturwissenschaftlich ausgerichtete Literaturwissenschaftler. Aber wenn ich auf die großen gesellschaftlichen Fragen schaue wie Migration, wie Umweltkrise, Fragen von Identität usw., da könnte auch Theologie sich noch mal stärker einbringen. Und ich denke, auch wenn das manche nicht gerne hören, die theologischen Fakultäten dürfen sich nicht allein kirchlich verorten, sondern sie müssen über den engeren kirchlichen Rahmen hinaus gesellschaftliche Fragen in den Blick nehmen. Es ist ja nicht so - ich nehme es jedenfalls nicht so wahr -, dass in den großen Wissenschaftsorganisationen eine #Theologie-Feindlichkeit' existiert. Da sehe ich viel mehr Kritik im eigenen kirchlichen Umfeld. Man muss einfach die Chancen ergreifen, die sich bieten und muss dann auch wie andere Geistes- und Kulturwissenschaftliche Fakultäten sehen, dass man sich an Forschungsprojekten, an großen Debatten etc. beteiligt. Das gibt es schon, aber da könnte die Theologie, glaube ich, noch stärker auftreten."
Meine Frage zielt auch ein wenig darauf, ob der Rückgang an Studierendenzahlen, der Rückbau auch in theologischen Fakultäten, der wahrscheinlich kommen, auch zu einer Verengung von Theologie führt. Also dass es eine Art Einigelung gibt, dass man sich vielleicht von verschiedenen Diskursen zurückzieht. Es gibt ja kirchliche Hochschulen, die damit hausieren gehen, dass sie blühen, weil sie kniende Theologie machen...
Kranemann: "Das kann für bestimmte innerkirchliche Kreise interessant sein. Ich bin aber sehr sicher, dass das nicht die Art von Theologie ist, die Kirche und Gesellschaft brauchen."
Langenfeld: "Zur Frage der 'knieenden Theologie' möchte ich nur anmerken, dass ich bei den Studierenden schon das Gefühl wahrnehme, dass es da eine Suche gibt, sehr geistlich gesprochen: aus der Haltung des Beters heraus Theologie zu treiben - als Identitätssuche. Und daher glaube ich auch, dass man vielleicht mehr als früher auch Grundinformationen braucht, was Glaube eigentlich ist und wie? das geht - weil ich das nicht mehr über die klassischen Strukturen vermittelt bekomme. Und da ist es mir auch wichtig, das nicht 'wegzulächeln'. Ich nehme das wahr als eine Form der Frage, mit der Menschen heute an Theologie herantreten: Wie kann ich eine religiöse Identität ausbilden in dieser Tradition? Das ist auch eine Aufgabe, die wir haben und die ich auch ernst nehme. Und in dem Kontext wage ich die These, dass es vielleicht gar nicht so gut ist, dass die Theologie sich so dermaßen ausdifferenziert hat, wie sie das im Moment ist, weil die Diskurse gelegentlich gar nicht mehr zueinanderfinden und die Methodenvielfalt so enorm ist, dass es ganz schwierig ist, mit manchen Kolleginnen und Kollegen bestimmte theologische Fragen überhaupt noch zu diskutieren, weil man sich gar nicht zuständig fühlt, in dem Bereich Auskunft zu geben oder gar nicht mehr traut, aus dem Bereich was zu sagen."
Dürnberger: "Das ist eine interessante Wahrnehmung, wo ich mir nicht sicher bin, ob ich sie teile, denn die Ausdifferenzierung findet einfach statt. Das ist auch in anderen Wissenschaften so und selbst in meinem Fachbereich Systematische Theologie erlebe ich das: Es sind oft auch nicht die Themen, glaube ich, die uns zusammenhalten, sondern eher etwas wie Freundschaften, dass man so über ein Thema ins Gespräch kommt. Die Ausdifferenzierung wird man nicht zurückdrehen können. Man kann nur hoffen, dass man andere Menschen findet, die spannend sind, interessant und so wieder irgendwie zusammenfindet. Auch dass man ansprechbar ist und bleibt durch das, was Studierende an einen herantragen und sagt 'Okay, ich find das spannend, was du jetzt an Frage an mich heranträgst. Vielleicht kann ich es nicht beantworten, aber schauen wir mal, wie es weitergeht.'"
Es war jetzt häufiger die Rede von den Orten, die man neu öffnen sollte, um auch ein neues Nachdenken über Gott zu ermöglichen, um über theologische Relevanz nachzudenken. Einer dieser Orte wäre ja die Salzburger Hochschulwochen, die genau das versuchen. Was macht diesen Ort attraktiv? Warum sind die Wochen so ein Dauerbrenner? Und als kleiner Ausblick zum Schluss: Was erwartet die Gäste eigentlich thematisch im nächsten Jahr...?
Dürnberger: "Ich glaube, die Hochschulwochen sind zum einen attraktiv aufgrund der Location. Das Setting in Salzburg im Sommer während der Festspiele - das kann ich halt anderswo schwer reproduzieren. Und die Hochschulwochen schaffen es, glaube ich, seit über 90 Jahren, jetzt keine große Bande von Freunden und Freundinnen zu sein, aber doch interessierte, kluge, smarte, sympathische Menschen ins Gespräch zu bringen in einem Raum, der handlungsentlastet ist. Und in der Kombi mit der Schönheit der Stadt, glaube ich, macht das den Reiz aus. Ein Reiz, der auch 2024 noch bestehen wird, wage ich zu behaupten. Und das Thema ist bereits gesetzt. Es heißt: 'Fragiles Vertrauen. Über eine kostbare Ressource'. Wir haben das Thema Vertrauen in der Gesellschaft, existenziell in Biografien und auch in der Kirche. Und wir wollen wieder ausgezeichnete Referenten und Referentinnen nach Salzburg locken, um dazu zu referieren."
Vielen Dank euch dreien für dieses Gespräch. Und, ja, du hast es schon ausgesprochen: Eine herzliche Einladung an alle Interessierte, Hörerinnen und Hörer, den Podcast nicht nur zu teilen, sondern ihn zu abonnieren - und im nächsten Jahr Anfang August zu den Salzburger Hochschulwochen nach Salzburg zu kommen!